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Eine Fabrik, die zu groß für Landsberg ist? Süddeutsche Zeitung, Maximilian Gerl,13.12.2021
Der Bund Naturschutz spricht sich gegen die Ansiedlung einer Chipfabrik bei Landsberg aus – der Standort sei ungeeignet. Dabei weiß noch niemand, ob die sogenannte Mega-Fab überhaupt nach Bayern kommt.

Der Bund Naturschutz hat sich in einem offenen Brief gegen die mögliche Ansiedlung einer Halbleiter-Fabrik bei Landsberg am Lech ausgesprochen. Ein solches Vorhaben biete zwar Chancen, heißt es in dem am Montag an den Chiphersteller Intel verschickten Papier. Jedoch sei der Raum Landsberg "für ein derartiges Großprojekt ungeeignet": Zu groß seien die Auswirkungen auf Natur, Landschaft und örtliche Infrastruktur. Man bitte daher, "die Planungen für diesen Standort zu stoppen". Daneben werfen die Umweltschützer der bayerischen Staatsregierung vor, die Menschen in der Region zu wenig in die Gespräche über die Ansiedlung einzubinden. Der Landesvorsitzende Richard Mergner appellierte am Montag "ausdrücklich", bei dem Thema nicht nach "Landeskalkül" vorzugehen, "sondern was das Beste für Deutschland ist".

Dabei weiß noch niemand, ob die sogenannte Mega-Fab überhaupt nach Bayern kommt. Intel hat wiederholt darauf hingewiesen, dass man sich europaweit nach neuen Standorten umschaue, eine Entscheidung werde voraussichtlich noch in diesem Jahr fallen. Nach derzeit bekanntem Stand könnte die Fabrik im Endausbau aus acht Einzel-Werken bestehen, der Flächenbedarf wird auf rund 500 Hektar geschätzt. Zum Vergleich: Das BMW-Werk in Dingolfing, Bayerns wohl bekannteste Industrieanlage, umfasst rund 280 Hektar.

Die Staatsregierung hat sich bisher an einer Ansiedlung interessiert gezeigt. Einerseits funktioniert ohne Halbleiter in der Industrie nur noch noch wenig, vom Kühlschrank bis zum Auto; andererseits sind Chipfabriken international vergleichsweise rar gesät. Neben Dresden gilt Penzing als aussichtsreicher Kandidat, genauer der ehemalige Fliegerhorst der Bundeswehr. Der umfasst rund 270 Hektar. Die restliche Fläche müsste also im Umland akquiriert werden – was bei allen Ungewissheiten in der Region Hoffnungen und Sorgen gleichermaßen schürt.

Die Befürworter sehen in dem Projekt unter anderem die Chance auf neue, zukunftsfeste Arbeitsplätze. Dem widerspricht auch der Bund Naturschutz nicht. Aus seiner Sicht würde aber eine Fabrik der geplanten Größenordnung rund um Landsberg erhebliche Probleme verursachen. So herrsche in der Region Vollbeschäftigung, heißt es in dem Schreiben. Benötigt würden pro Einzelfabrik wohl rund 1500 Menschen. Diese Fachkräfte seien nur durch Zuzug zu gewinnen, was die angespannte Wohnraumsituation weiter verschärfe. Auch der für die Chipfertigung nötige Wasserbedarf ließe sich mit den heimischen Reserven kaum decken. Zudem sei der Standort gar nicht genehmigungsfähig: Ein Teil der umliegenden Flächen seien als "arten- und strukturreiches Dauergrünland" geschützte Biotope. "Das weiß das Umweltministerium", sagt Mergner mit Blick auf die Staatsregierung. Man hoffe nun, dass die politisch Verantwortlichen der Firma nicht hinter verschlossenen Türen "den roten Teppich ausrollen" – ohne dass die Menschen vor Ort wüssten, was genau auf sie zukomme.

Letztlich sähen die Umweltschützer die Intel-Fabrik lieber anderswo entstehen. Nur wo? In dem Brief steht, man setze auf eine Standortwahl nach "gesellschaftlichen und ökologischen Kriterien". Zumindest Ersteres könnte der Konkurrent Dresden eher erfüllen: In der Region existiert mit dem "Silicon Saxony" bereits ein Halbleiter-System aus Firmen, Forschungsinstituten und Fachkräften. Als Plädoyer für Sachsen wollen die bayerischen Umweltschützer ihren Brief dennoch nicht verstanden wissen. Die Kolleginnen und Kollegen dort seien noch zu keinem einheitlichen Urteil über die Ansiedlung gekommen, sagt Mergner.

Damit ist vorerst nur eines rund um Landsberg garantiert: dass der Streit weitergeht. Auch im Stadtrat von Landsberg wurde das Thema Anfang Dezember mal wieder kontrovers diskutiert, auf Antrag der Grünen. Die Stadtspitze hingegen verwies darauf, dass es über den Bau selbst schon mangels Informationen keine Entscheidung gebe: Bislang habe man nur einer Bewerbung mit dem Fliegerhorst "im Rahmen eines europaweiten Standortwettbewerbs zugestimmt".


Kommentar: Als Fachberater für die Halbleiterindustrie seit über 25 Jahren sehen wir einerseits mit Freuden, dass sich Europa allmählich von der Abhängigkeit von den asiatischen und amerikanischen Lieferanten emanzipieren will und entspechende Gegenmaßnahmen einleitet bzw. eingeleitet hat (Bosch, Infineon, GFoundry, usw). Andererseits verstehen wir auch die Bedenken der Umweltverbände. Nur: Warum muss es immer "ENTWEDER – ODER" heißen? Wie wäre es mal mit einem Ansatz "SOWOHL – ALS AUCH"? Wir brauchen die Chip-Produktion in Europa, aber gerade hier sollten die nationalistischen Gedankenspiele und die lokalen Bedenkenträger ("Heiliger St. Florian, verschon' mein Haus, zünd' andere an!)" mal zurückstecken und das Ganze mal im Sinne der übergeordneten Interessen betrachten. Eine weitere, zukünftige Abhängigkeit von den asiatischen Chip-Giganten kann und wird die europäische Wirtschaft mittelfristig in größere Schwierigkeiten führen, als jetzt eine besonnene Auswahl zugunsten eines (potenziellen) Standortes für INTEL…