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DER SPIEGEL: Apple vs. Huawei: Die Zukunft des PC- und Mobilfunkmarktes?
Mit dem M1-Chip hat Apple am Dienstag seine Unabhängigkeitserklärung vorgestellt. Was nach außen nur ein Stück Silizium ist, könnte die Welt der Computer neu ordnen.

Von außen kann man den neuen MacBooks, die Apple am Dienstag vorgestellt hat, nicht ansehen, wie neu sie sind, denn sie sehen genauso aus wie ihre Vorgänger. Das dürfte praktische und psychologische Gründe haben. Zum einen können auf diese Weise Fehlerquellen bei der Produktion ausgeschlossen werden. Zum anderen wird Käufern damit Kontinuität signalisiert. "Das mit dem neuen Chip kann ja gar nicht so schlimm sein, wenn der Rechner immer noch so aussieht wie vorher", mag der Gedanke sein, den man Interessenten einpflanzen will. Dabei ist unter dem Deckel aus Recycling-Alu nichts mehr, wie es war.

Denn statt der Intel-Prozessoren, die Apple eineinhalb Jahrzehnte in seinen Computer eingepflanzt hat, steckt dort nun etwas ganz anderes als Antrieb. Apple nennt den Chip M1, um ihn von den A14-Chips zu unterscheiden, die in iPhones und iPads stecken. Dabei haben M1 und A14 viele Gemeinsamkeiten, vor allem die, dass sie auf Technologie der Firma ARM basieren, die schon seit vielen Jahren die Blaupausen für die Chips liefert, die in den weitaus meisten Smartphones stecken.

Von den neuen Macs als ARM-Macs zu sprechen, wäre trotzdem falsch. Zwar steckt auch im M1 Technologie von ARM, aber nur ein kleiner Teil. Denn Apple hat von ARM nicht das eigentliche Prozessordesign lizenziert, sondern nur den Befehlssatz, den die Chips benutzen, im Grunde also Software. Die Prozessoren, auf denen diese Software läuft, entwickelt Apple aber seit Jahren selbst – und macht dabei vieles anders als die Konkurrenz.

Apples Chips sind nicht einfach nur Prozessoren, sondern sogenannte SoCs, Systems on Chip. Neben einer bestimmten Anzahl an Prozessorkernen, die sich untereinander durch ihre Leistungsfähigkeit und den Energieverbrauch unterscheiden, stecken darin auch ein Grafikprozessor, die sogenannte Neural Engine für maschinelles Lernen, Arbeitsspeicher und etliche weitere auf bestimmte Aufgaben spezialisierte Schaltkreise. Welche Aufgaben das sind, wird in Abstimmung mit den Programmierern, die Apples Betriebssysteme und Programme entwickeln, festgelegt.

Keine Umwege mehr

In dieser tiefen Integration von Hard- und Software liegt auch das Geheimnis für die erstaunliche Steigerung von Leistung und Ausdauer, die Apple für die ersten mit dem M1 bestückten Geräte verspricht. Von bis zu zehn Stunden mehr Akkulaufzeit und dreieinhalb mal mehr Leistung ist die Rede.

Möglich soll das beispielsweise werden, indem der Arbeitsspeicher beim M1 nicht wie sonst üblich auf separaten Speicherbausteinen sitzt, sondern im Chip selbst. So müssen etwa Grafikdaten nicht vom Hauptspeicher in den Grafikspeicher verschoben werden, um vom Grafikchip bearbeitet werden zu können, sondern können von Grafikabteilung und Prozessor ohne Umwege abwechselnd genutzt werden, was Zeit spart, also Leistung bringt.

Der Preis dafür ist allerdings beträchtlich. Wer eines der neuen MacBooks mit 16 statt der standardmäßig verbauten acht Gigabyte Arbeitsspeicher bestellt, muss für die Speicherverdopplung 224 Euro zahlen, 28 Euro pro Gigabyte. Für Windows-Notebooks werden im Zubehörhandel Nachrüst-Speicherbausteine zu Preisen um vier Euro pro Gigabyte angeboten. Doch dieser Weg ist bei den neuen Apple-Rechnern ausgeschlossen.

Die Leistung hängt vom Lüfter ab

Anders als bei seinen Rechnern mit Intel-Prozessor gibt Apple für die M1-Chips keine Taktfrequenz an. Stattdessen will sich das Unternehmen auf die Metrik "Leistung pro Watt" konzentrieren. So werden in den neuen MacBooks und den Mac Mini zwar fast durchweg dieselben M1-Chips verbaut, sind dort aber zu unterschiedlichen Leistungen fähig.

Den Unterschied macht die Kühlung. Im lüfter- und deshalb lautlosen MacBook Air stößt der M1 bei langanhaltend hoher Belastung an seine thermischen Grenzen und reduziert seine Geschwindigkeit, um nicht zu überhitzen. Im MacBook Pro und Mac Mini hingegen pusten kleine Lüfter die Abwärme des Chips aus dem Gehäuse, weshalb dieser länger mit Vollgas, also hoher Taktfrequenz, laufen kann, was etwa beim Videoschnitt wichtig ist.

Weniger bringt mehr ein

Mit dem Umstieg auf Apple Silicon wirft Apple auch verschiedene Zusatzchips, wie etwa externe Grafikprozessoren und den eigenen T2-Sicherheitschip, über Bord. Weniger zusätzliche Chips bedeuten, dass die Hauptplatinen einfacher und kleiner werden, sich die Zahl der Bauteile verringert und damit auch die Herstellung einfacher und billiger wird. An dieser Stelle freuen sich auch die Aktionäre über die neue Technik, weil sie höhere Gewinnmargen und damit fettere Dividenden einbringt.

Viel wichtiger als ein paar Dollar Extradividende wird auf lange Sicht sein, wie der Umstieg auf Apple Silicon Apples Ökosystem umwandeln wird. So wie iPhone-Nutzer jetzt schon iPhone-Apps – manchmal etwas umständlich – auf einem iPad nutzen können, werden sie diese künftig auch auf Macs verwenden – zumindest theoretisch. Dadurch werden die Grenzen zwischen den Geräten zumindest weiter aufgeweicht und wer sich darauf einlässt tiefer in Apples goldenen Käfig gezogen.

Da kommt noch was

Richtig interessant wird es, wenn Apple in rund zwei Jahren den Umstieg auf Apple Silicon vollzogen hat. Erst dann wird sich der Konzern von seinen etablierten Designs lösen und neue Formen ausprobieren. Auf Basis eines integrierten Chips – dann könnte es schon der M3 sein – wären etwa noch dünnere Notebooks und kleinere PCs denkbar. Vor allem aber neue Funktionen und Fähigkeiten, die mit einem Computer auf Basis herkömmlicher Bauteile nicht realisierbar wären.

Genau das hat Apple beispielsweise beim iPhone mit der Gesichtserkennung Face ID getan. Was für eine Technologie das bei Apples Macs sein könnte, bleibt vorerst reine Spekulation. Dass in irgendeinem Labor, tief in Apples Hauptquartier, schon an verschiedenen solchen Möglichkeiten gearbeitet wird, kann man als sicher annehmen. Der Konzern mit dem Apfel-Logo braucht für solche Neuentwicklungen immer besonders viel Zeit.

Nicht so viel Zeit braucht dagegen die Konkurrenz, um solche Ideen für sich zu adaptieren. Ein Kandidat, der auf dem Weg dahin ist, die dafür nötigen Fähigkeiten zu entwickeln, ist Huawei. Gerüchten zufolge versucht das Unternehmen derzeit, eine eigene Chipproduktion aufzubauen, weil es aufgrund von US-Sanktionen keinen Zugriff mehr auf Chips mit US-Technologie hat. Ein eigenes Betriebssystem, Harmony OS, hat der Konzern nahezu betriebsbereit. In ein paar Jahren könnten die Chinesen mit dieser Kombination in der Lage sein, ein ebenso integriertes System zu erschaffen, wie es Apple gerade vorgestellt hat.

Matthias Kemp