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Der SPIEGEL: Ungenutztes Potenzial einer Generation »Kaum ein Personaler hat die Ü50er auf dem Schirm. Dabei sind sie extrem leistungsfähig« - Maren Hoffmann
Eine Umfrage zeigt: Auch die Generation Ü50 möchte eine modernere Arbeitswelt und Chancen auf Weiterentwicklung. Doch Unternehmen umgarnen primär jüngere Mitarbeiter. Ein strategischer Fehler?

Mehr als 40 Prozent der Beschäftigten zwischen 50 und 65 Jahren können sich einen Jobwechsel in den nächsten beiden Jahren vorstellen. Das zeigt eine Studie des Marktforschungsunternehmen Bilendi im Auftrag der Personalmarketingagentur Königsteiner Gruppe. Dafür wurden zunächst rund 3000 Beschäftigte der Altersgruppe befragt. Diejenigen, die sich wechselwillig zeigten, beantworteten dann einen ausführlicheren Fragenkatalog, der Aufschluss darüber gibt, wie die Zielgruppe sich selbst wahrnimmt – und was ihr im Job wichtig ist. Dabei wurden je zur Hälfte Akademiker und Nichtakademiker befragt.

»Kaum ein Personaler hat die Generation Ü50 auf dem Schirm. Dabei ist diese Zielgruppe extrem leistungsfähig, weil sie mit diesem Anspruch aufgewachsen ist.«

»Es gibt immer zwei Argumente gegen die gezielte Einstellung älterer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter: Erstens, dass sie nicht so belastbar seien, zweitens, dass sie sich nicht weiterentwickeln wollen. Das stimmt einfach nicht, wie unsere Umfrage gezeigt hat«, sagt Königsteiner-Geschäftsführer Nils Wagener. Und: »Die hohe Weiterbildungsbereitschaft hat uns am meisten überrascht.«

Die Boomer erleben sich als leistungsfähig: Drei Viertel gaben an, genauso produktiv oder sogar produktiver zu sein als vor zehn bis 15 Jahren. Die Kriterien für die Zufriedenheit im Job haben sich allerdings bei vielen geändert – und lesen sich gar nicht so verschieden von denen, die man gemeinhin eher der nachrückenden Generation Z zuschreibt, also den um die Jahrtausendwende Geborenen.

Wichtiger geworden sind
• Work-Life-Balance (57 Prozent),
• Arbeitsatmosphäre (51 Prozent),
• Homeoffice (48 Prozent) und
• Gehalt (47 Prozent).

Mehr als die Hälfte ist an Weiterbildungen interessiert – vor allem an Fremdsprachen und IT-Kenntnissen. 64 Prozent aller an einer Weiterbildung interessierten Befragten würden sofort an einer Qualifizierungsmaßnahme teilnehmen, die sie in ihrem konkreten Beruf fachlich weiterbildet.

Mehr Sinn im Job und interessantere Aufgaben

Bei einem Wechsel versprechen sich knapp 60 Prozent mehr Gehalt, 45 Prozent interessantere Aufgaben, 37 Prozent eine bessere Work-Life-Balance, ein Viertel flexiblere Arbeitszeiten, bessere Führungskräfte, angenehmere Kollegen und sinnstiftende Tätigkeiten.

»Arbeitgeber sollten ihren Blick für Kandidatinnen und Kandidaten jenseits der jungen Generation schärfen und gezielt Menschen der Gen 50 plus in ihre Recruitingstrategie einbeziehen«, so Wagener. Zu oft werde diese dem alten Eisen zugeschrieben, »während man der Gen Z ein erstaunliches Anspruchsdenken inklusive bisweilen geringer Belastbarkeit fast beiläufig verzeiht«, sagt er. »Kaum ein Personaler hat die Generation Ü50 auf dem Schirm. Dabei ist diese Zielgruppe extrem leistungsfähig, weil sie mit diesem Anspruch aufgewachsen ist.«

Von den über 50-Jährigen, die offen für einen Job sind, geht ein Viertel aktiv auf die Suche; 45 Prozent suchen neue inhaltliche Herausforderungen, 41 Prozent sind seit Längerem unzufrieden, ein Drittel gibt an, beruflich auf der Stelle zu treten. Dabei sind drei Viertel der für einen Wechsel offenen Ü50er auch interessiert an Angeboten für den Vorruhestand – aber nur knapp ein Drittel sagt, dass sie danach gar nicht mehr arbeiten würden. Die Hälfte würde am liebsten in Teilzeit weitermachen, nur ein Fünftel in Vollzeit.

Mehr graue Haare

»Alle rufen reflexartig nach Fachkräften«, stellt Wagener fest, »aber das ist oft nur eine leere Hülse. Niemand spricht die leistungsfähige Ü50-Klientel gezielt an. Die erreicht man halt nicht über TikTok und bunte Bilder mit gut gelaunten Mittzwanzigern auf der Unternehmenshomepage. Auch da muss die Bildsprache stimmen, da müssen graue Haare zu sehen sein. Wer das noch nicht begriffen hat als Unternehmen, bei dem kann der Schmerz einfach noch nicht groß genug sein.«