SÜDDEUTSCHE ZEITUNG: Bewerbungen: Personaler reagieren falsch auf den Fachkräftemangel - von Uwe Ritzer
Wenn schon die "SZ" darauf aufmerksam macht: Wie muss es dann tatsächlich in der Realität aussehen? Wollen Sie das wirklich wissen? Es sieht sogar schlimmer aus, als hier beschrieben!
Aber lesen Sie selbst (und ziehen Sie daraus die richtigen Schlüsse):
Deutschlands Wirtschaft jammert über fehlende Fachkräfte. Dabei müssten die Firmen einfach mal ihre Personalabteilungen reformieren. Dort haben viele den Schuss nicht gehört.
Da ist der Maschinenbauingenieur mit dem Einser-Abschluss, der bei einem Kabelspezialisten drei Bewerbungsrunden absolviert und anschließend nichts mehr von der Firma hört, bei Nachfragen vertröstet wird - aber auch nie eine Absage bekommt, geschweige denn seine Bewerbungsunterlagen zurück. Da ist die Betriebswirtin, die eine Initiativbewerbung an einen großen Dienstleister schickt, der allerhand offene Stellen ausgeschrieben hat, der Frau aber sofort per Standardmail antwortet, Initiativbewerbungen berücksichtige man prinzipiell nicht.
Da ist die Kauffrau, die nach zehn Jahren Kinderpause wieder arbeiten will und auf die Hälfte ihrer Bewerbungen nicht einmal Antworten bekommt. Da ist der Techniker, der sich mit einem Industriebetrieb relativ schnell einig wird, wo dann aber noch ein Entscheider und noch einer und noch einer über die Bewerbung schauen und ihn eventuell persönlich kennenlernen will. Das Ganze zieht sich sechs Wochen hin - bis es dem jungen Mann reicht und er absagt. Patzige Reaktion der Firma: "Ja, wenn Sie den Job nicht haben wollen ..."
Fachkräftemangel? Ist da was?
Zweifellos zu Recht klagt die deutsche Wirtschaft darüber, dass sie nicht mehr genügend qualifiziertes Personal findet. Etliche seriöse Erhebungen belegen das. Manche Unternehmer und Manager sollten darüber aber dringend mit ihren eigenen Leuten reden. Speziell in den Personalabteilungen, von denen beileibe nicht alle, aber doch zu viele einfach weiterwursteln, ganz so, als gäbe es das Problem gar nicht. Statt etwa mit Bewerberinnen und Bewerbern schnell zu kommunizieren und sich so erste Eindrücke zu verschaffen, lässt man sie lieber in der Luft hängen, hält sie hin, behandelt sie von oben herab oder reagiert einfach gar nicht. Letzteres ist besonders arrogant. Manche Firmen sind von schneller und flexibler Arbeitskräfte-Akquise so weit entfernt wie die Bundesregierung von einem durchfinanzierten Haushalt.
Viele Stellenanzeigen zeigen, wie unfähig Firmen sind, dem Fachkräftemangel zu begegnen
Ungerührt zelebrieren sie weiter ihren formalistischen Popanz, der schon vor dem Fachkräftemangel absurd war. Die Personaler lassen Bewerbungen so lange wie möglich liegen, schließlich könnte sich noch jemand Besseres melden. Dann ein Telefoninterview mit der Bewerberin oder dem Bewerber, im nächsten Schritt ein persönliches Vorstellungsgespräch, anschließend womöglich noch ein Assessment-Center. Und wer all das übersteht, muss sich noch in einer allerletzten Runde gegen den oder die schärfsten Konkurrenten durchsetzen.
Auch viele Stellenanzeigen erwecken den Eindruck, dass Firmen unfähig sind, dem Fachkräftemangel richtig zu begegnen. Etwa jener Autozulieferer, der für ein überschaubares Werk eine Fachkraft im Qualitätsmanagement sucht. Keine Spitzenposition, ein Job mit 50 000, vielleicht 60 000 Euro Brutto-Jahresgehalt. Das Anforderungsprofil: abgeschlossenes Studium, weitreichende Erfahrung im vorgegebenen Segment und im Umgang mit exakt aufgelisteten Prozessen und Verfahren. Sowieso vorausgesetzt: selbständiges Arbeiten, hohe Kommunikations- und Überzeugungsfähigkeit, perfektes Deutsch und mindestens sehr gute Englischkenntnisse.
Im Umkehrschluss sind das vor allem Ausschlusskriterien. Die Möglichkeit, dass jemand noch nicht alles kann und weiß, was er braucht, wohl aber die Grundvoraussetzungen erfüllt und mit Fleiß und Unterstützung des Arbeitgebers seine Lücken schnell schließen könnte, kommt vielen Personalern anscheinend nicht in den Sinn.
Nicht selten liegt das an strukturellen Problemen. Weil Human Resources und die bedürftige Abteilung nicht eng genug verzahnt sind, vergeht viel Zeit mit Hin und Her. Manch eine HR-Abteilung hat sich sogar verselbständigt oder verschwendet Zeit und Energie mit internen Umfragen, zum Betriebsklima etwa, bei denen auf wundersame Weise immer das Gleiche herauskommt: Selbst in Firmen mit hoher Fluktuation sind die Beschäftigten zufrieden, vor allem mit ihren Vorgesetzten.
Viel wichtiger wäre es in Zeiten des Fachkräftemangels, schnellere und flexiblere Einstellungsmechanismen zu entwickeln. Schon die Erkenntnis, dass Bewerberinnen und Bewerber keine Bittsteller sind, würde helfen.
Aber lesen Sie selbst (und ziehen Sie daraus die richtigen Schlüsse):
Deutschlands Wirtschaft jammert über fehlende Fachkräfte. Dabei müssten die Firmen einfach mal ihre Personalabteilungen reformieren. Dort haben viele den Schuss nicht gehört.
Da ist der Maschinenbauingenieur mit dem Einser-Abschluss, der bei einem Kabelspezialisten drei Bewerbungsrunden absolviert und anschließend nichts mehr von der Firma hört, bei Nachfragen vertröstet wird - aber auch nie eine Absage bekommt, geschweige denn seine Bewerbungsunterlagen zurück. Da ist die Betriebswirtin, die eine Initiativbewerbung an einen großen Dienstleister schickt, der allerhand offene Stellen ausgeschrieben hat, der Frau aber sofort per Standardmail antwortet, Initiativbewerbungen berücksichtige man prinzipiell nicht.
Da ist die Kauffrau, die nach zehn Jahren Kinderpause wieder arbeiten will und auf die Hälfte ihrer Bewerbungen nicht einmal Antworten bekommt. Da ist der Techniker, der sich mit einem Industriebetrieb relativ schnell einig wird, wo dann aber noch ein Entscheider und noch einer und noch einer über die Bewerbung schauen und ihn eventuell persönlich kennenlernen will. Das Ganze zieht sich sechs Wochen hin - bis es dem jungen Mann reicht und er absagt. Patzige Reaktion der Firma: "Ja, wenn Sie den Job nicht haben wollen ..."
Fachkräftemangel? Ist da was?
Zweifellos zu Recht klagt die deutsche Wirtschaft darüber, dass sie nicht mehr genügend qualifiziertes Personal findet. Etliche seriöse Erhebungen belegen das. Manche Unternehmer und Manager sollten darüber aber dringend mit ihren eigenen Leuten reden. Speziell in den Personalabteilungen, von denen beileibe nicht alle, aber doch zu viele einfach weiterwursteln, ganz so, als gäbe es das Problem gar nicht. Statt etwa mit Bewerberinnen und Bewerbern schnell zu kommunizieren und sich so erste Eindrücke zu verschaffen, lässt man sie lieber in der Luft hängen, hält sie hin, behandelt sie von oben herab oder reagiert einfach gar nicht. Letzteres ist besonders arrogant. Manche Firmen sind von schneller und flexibler Arbeitskräfte-Akquise so weit entfernt wie die Bundesregierung von einem durchfinanzierten Haushalt.
Viele Stellenanzeigen zeigen, wie unfähig Firmen sind, dem Fachkräftemangel zu begegnen
Ungerührt zelebrieren sie weiter ihren formalistischen Popanz, der schon vor dem Fachkräftemangel absurd war. Die Personaler lassen Bewerbungen so lange wie möglich liegen, schließlich könnte sich noch jemand Besseres melden. Dann ein Telefoninterview mit der Bewerberin oder dem Bewerber, im nächsten Schritt ein persönliches Vorstellungsgespräch, anschließend womöglich noch ein Assessment-Center. Und wer all das übersteht, muss sich noch in einer allerletzten Runde gegen den oder die schärfsten Konkurrenten durchsetzen.
Auch viele Stellenanzeigen erwecken den Eindruck, dass Firmen unfähig sind, dem Fachkräftemangel richtig zu begegnen. Etwa jener Autozulieferer, der für ein überschaubares Werk eine Fachkraft im Qualitätsmanagement sucht. Keine Spitzenposition, ein Job mit 50 000, vielleicht 60 000 Euro Brutto-Jahresgehalt. Das Anforderungsprofil: abgeschlossenes Studium, weitreichende Erfahrung im vorgegebenen Segment und im Umgang mit exakt aufgelisteten Prozessen und Verfahren. Sowieso vorausgesetzt: selbständiges Arbeiten, hohe Kommunikations- und Überzeugungsfähigkeit, perfektes Deutsch und mindestens sehr gute Englischkenntnisse.
Im Umkehrschluss sind das vor allem Ausschlusskriterien. Die Möglichkeit, dass jemand noch nicht alles kann und weiß, was er braucht, wohl aber die Grundvoraussetzungen erfüllt und mit Fleiß und Unterstützung des Arbeitgebers seine Lücken schnell schließen könnte, kommt vielen Personalern anscheinend nicht in den Sinn.
Nicht selten liegt das an strukturellen Problemen. Weil Human Resources und die bedürftige Abteilung nicht eng genug verzahnt sind, vergeht viel Zeit mit Hin und Her. Manch eine HR-Abteilung hat sich sogar verselbständigt oder verschwendet Zeit und Energie mit internen Umfragen, zum Betriebsklima etwa, bei denen auf wundersame Weise immer das Gleiche herauskommt: Selbst in Firmen mit hoher Fluktuation sind die Beschäftigten zufrieden, vor allem mit ihren Vorgesetzten.
Viel wichtiger wäre es in Zeiten des Fachkräftemangels, schnellere und flexiblere Einstellungsmechanismen zu entwickeln. Schon die Erkenntnis, dass Bewerberinnen und Bewerber keine Bittsteller sind, würde helfen.