Chipbranche: Wie sich 420 Milliarden Dollar über Nacht in Luft auflösten; Frank-Thomas Wenzel, FFM
Die Nachfrage nach Spezialmaschinen für die Chipproduktion bricht ein. Darunter leidet zuallererst die niederländische Firma ASML: Die Aktie bricht ein und reißt viele andere Unternehmen ebenfalls in die Tiefe. Doch das muss nicht das Ende des Hightechbooms sein.
Das ist schon ein richtig schweres Beben, das gerade die Hightechbranche ereilt. Buchstäblich über Nacht haben Aktien der wichtigsten Firmen in der Chipbranche mehr als 420 Milliarden Dollar an Marktwert verloren. Das hat der Finanzdienst Bloomberg errechnet.
So etwas kann nur ein Unternehmen wie ASML auslösen. Dabei hat die Firma fürs aktuelle Geschäft gute Zahlen vorgelegt. Aber die Bestellungen, die im dritten Quartal eingingen, haben nur ein Volumen von 2,6 Milliarden Euro. Die zuständigen Branchenexperten hatten mit mindestens doppelt so viel gerechnet. Das bedeutet nicht nur, dass ASML im nächsten Jahr wohl weniger Umsatz und Gewinn machen wird, sondern vor allem auch, dass zumindest einige Hersteller von Computerchips mit einer schwachen Nachfrage nach ihren Produkten rechnen.
ASML kann solche Schockwellen auslösen, weil das niederländische Unternehmen so etwas wie die Spinne im Netz der Hightechindustrie ist. Die Firma baut Maschinen für die Chipproduktion. Sie sind die mutmaßlich komplexesten und teuersten Apparaturen überhaupt, mit Stückpreisen von mehr als 300 Millionen Euro. Die Spezialität des Unternehmens: Lithografiesysteme, die mit Licht Leiterbahnen auf Rohlingen erzeugen, die nur mit Elektronenmikroskopen erkennbar sind und sich dem atomaren Bereich nähern. Die winzigen Dimensionen erlauben es, die Leistungen der Halbleiter zu steigern. ASML ist führend in diesen Technologien, es hat eine monopolartige Position.
Die ASML-Aktie hat in dieser Woche bislang gut 20 Prozent an Wert verloren – das entspricht umgerechnet mehr als 60 Milliarden Euro. Das liegt in der Größenordnung der Abstürze von Nokia und Vodafone nach dem Platzen der Dotcom-Blase vor einem Vierteljahrhundert. Was aktuell auch dazu führt, dass die Niederländer gerade auch den Titel des wertvollsten europäischen Techkonzerns verloren haben: an SAP.
„Es scheint, dass die Erholung allmählicher verläuft als bisher erwartet. Es wird erwartet, dass sich dies im Jahr 2025 fortsetzt, was zu einer gewissen Zurückhaltung der Kunden führt.“ So lässt sich ASML-Chef Christophe Fouquet zitieren.
Die Chipindustrie durchlebt gerade so unruhige Zeiten wie selten zuvor. Nvidia, das mit Abstand wertvollste Unternehmen der Branche (Marktkapitalisierung 3,25 Billionen Dollar), kann bei der Fertigung von Hochleistungsprozessoren für Künstliche Intelligenz (KI) mit der Nachfrage kaum Schritt halten. Gleichwohl wurde auch die Nvidia-Aktie vom ASML-Schock in die Tiefe gedrückt. Ähnlich erging es TSMC, dem führenden Auftragsfertiger für Halbleiter, obwohl er mit seinen aktuellen Kennziffern überzeugte.
In Geschäftsfeldern jenseits der KI, etwa bei Chips für die Industrie, ist indes die Nachfrage rückläufig, da beispielsweise Autobauer ihre Order zurückfahren, weil sie über enorme Lagerbestände verfügen. Auch die Hersteller von Speicherchips wie Samsung und Hynix sind vorsichtig geworden und bemühen sich, Kosten zu drücken.
Intel, der einstige Branchenprimus, fährt enorme Verluste ein, er hat ein radikales Sparprogramm mit der Streichung von 15.000 Stellen aufgelegt und den Bau von neuen Fabriken in Deutschland und Polen vertagt. Intel ist es bislang nicht gelungen, im KI-Geschäft Fuß zu fassen. Die Abhängigkeit vom arg gebeutelten PC-Markt ist groß. Inzwischen sind dort aber erste Anzeichen für eine steigende Nachfrage erkennbar. Das ist, was der ASML-Chef unter anderem mit der verlangsamten Erholung meint. Die Intel-Aktie aber musste nach einem Zwischenhoch in der vorigen Woche inzwischen wieder deutliche Einbußen hinnehmen.
Dabei spielt auch eine Rolle, dass laut Bloomberg Gespräche über eine Kooperation oder Fusion mit Qualcomm (ein Spezialist für Handychips) erst mal auf Eis gelegt wurden – die Manager wollen den Ausgang der US-Präsidentschaftswahl wegen Kartellfragen abwarten.
Im Raum steht indes eine Frage: War es das jetzt mit dem Hightechhype? Der Technologie-Auswahlindex Nasdaq 100 ist in diesem Jahr bislang um gut 20 Prozent gestiegen. Unter den Experten gehen die Meinungen über die Bedeutung des ASML-Rücksetzers für die weitere Entwicklung auseinander. Einerseits sind etwa die Analysten von der Citigroup und vom Analysehaus Jefferies über die Dimension der ASML-Auftragsrückgänge schockiert. Doch zugleich ist von Jefferies zu hören, dass der Einbruch bei den Bestellungen nicht auf ein branchenweites Phänomen, sondern vor allem auf zwei Großkunden zurückzuführen sei: Intel und Samsung. Zugleich wird auch vom ASML-Vorstand betont, dass das KI-Thema noch immer angesagt sei.
Und dann noch China: Dort könne die Chipnachfrage durch staatliche Konjunkturprogramme wieder angekurbelt werden, so Jung In Yun vom Vermögensverwalter Fibonacci. Allerdings könnte dies zumindest an ASML vorbeigehen, denn die niederländische Regierung will Ausfuhren der Highend-Maschinen in die Volksrepublik aus geostrategischen Gründen einschränken.
Das ist schon ein richtig schweres Beben, das gerade die Hightechbranche ereilt. Buchstäblich über Nacht haben Aktien der wichtigsten Firmen in der Chipbranche mehr als 420 Milliarden Dollar an Marktwert verloren. Das hat der Finanzdienst Bloomberg errechnet.
So etwas kann nur ein Unternehmen wie ASML auslösen. Dabei hat die Firma fürs aktuelle Geschäft gute Zahlen vorgelegt. Aber die Bestellungen, die im dritten Quartal eingingen, haben nur ein Volumen von 2,6 Milliarden Euro. Die zuständigen Branchenexperten hatten mit mindestens doppelt so viel gerechnet. Das bedeutet nicht nur, dass ASML im nächsten Jahr wohl weniger Umsatz und Gewinn machen wird, sondern vor allem auch, dass zumindest einige Hersteller von Computerchips mit einer schwachen Nachfrage nach ihren Produkten rechnen.
ASML kann solche Schockwellen auslösen, weil das niederländische Unternehmen so etwas wie die Spinne im Netz der Hightechindustrie ist. Die Firma baut Maschinen für die Chipproduktion. Sie sind die mutmaßlich komplexesten und teuersten Apparaturen überhaupt, mit Stückpreisen von mehr als 300 Millionen Euro. Die Spezialität des Unternehmens: Lithografiesysteme, die mit Licht Leiterbahnen auf Rohlingen erzeugen, die nur mit Elektronenmikroskopen erkennbar sind und sich dem atomaren Bereich nähern. Die winzigen Dimensionen erlauben es, die Leistungen der Halbleiter zu steigern. ASML ist führend in diesen Technologien, es hat eine monopolartige Position.
Die ASML-Aktie hat in dieser Woche bislang gut 20 Prozent an Wert verloren – das entspricht umgerechnet mehr als 60 Milliarden Euro. Das liegt in der Größenordnung der Abstürze von Nokia und Vodafone nach dem Platzen der Dotcom-Blase vor einem Vierteljahrhundert. Was aktuell auch dazu führt, dass die Niederländer gerade auch den Titel des wertvollsten europäischen Techkonzerns verloren haben: an SAP.
„Es scheint, dass die Erholung allmählicher verläuft als bisher erwartet. Es wird erwartet, dass sich dies im Jahr 2025 fortsetzt, was zu einer gewissen Zurückhaltung der Kunden führt.“ So lässt sich ASML-Chef Christophe Fouquet zitieren.
Die Chipindustrie durchlebt gerade so unruhige Zeiten wie selten zuvor. Nvidia, das mit Abstand wertvollste Unternehmen der Branche (Marktkapitalisierung 3,25 Billionen Dollar), kann bei der Fertigung von Hochleistungsprozessoren für Künstliche Intelligenz (KI) mit der Nachfrage kaum Schritt halten. Gleichwohl wurde auch die Nvidia-Aktie vom ASML-Schock in die Tiefe gedrückt. Ähnlich erging es TSMC, dem führenden Auftragsfertiger für Halbleiter, obwohl er mit seinen aktuellen Kennziffern überzeugte.
In Geschäftsfeldern jenseits der KI, etwa bei Chips für die Industrie, ist indes die Nachfrage rückläufig, da beispielsweise Autobauer ihre Order zurückfahren, weil sie über enorme Lagerbestände verfügen. Auch die Hersteller von Speicherchips wie Samsung und Hynix sind vorsichtig geworden und bemühen sich, Kosten zu drücken.
Intel, der einstige Branchenprimus, fährt enorme Verluste ein, er hat ein radikales Sparprogramm mit der Streichung von 15.000 Stellen aufgelegt und den Bau von neuen Fabriken in Deutschland und Polen vertagt. Intel ist es bislang nicht gelungen, im KI-Geschäft Fuß zu fassen. Die Abhängigkeit vom arg gebeutelten PC-Markt ist groß. Inzwischen sind dort aber erste Anzeichen für eine steigende Nachfrage erkennbar. Das ist, was der ASML-Chef unter anderem mit der verlangsamten Erholung meint. Die Intel-Aktie aber musste nach einem Zwischenhoch in der vorigen Woche inzwischen wieder deutliche Einbußen hinnehmen.
Dabei spielt auch eine Rolle, dass laut Bloomberg Gespräche über eine Kooperation oder Fusion mit Qualcomm (ein Spezialist für Handychips) erst mal auf Eis gelegt wurden – die Manager wollen den Ausgang der US-Präsidentschaftswahl wegen Kartellfragen abwarten.
Im Raum steht indes eine Frage: War es das jetzt mit dem Hightechhype? Der Technologie-Auswahlindex Nasdaq 100 ist in diesem Jahr bislang um gut 20 Prozent gestiegen. Unter den Experten gehen die Meinungen über die Bedeutung des ASML-Rücksetzers für die weitere Entwicklung auseinander. Einerseits sind etwa die Analysten von der Citigroup und vom Analysehaus Jefferies über die Dimension der ASML-Auftragsrückgänge schockiert. Doch zugleich ist von Jefferies zu hören, dass der Einbruch bei den Bestellungen nicht auf ein branchenweites Phänomen, sondern vor allem auf zwei Großkunden zurückzuführen sei: Intel und Samsung. Zugleich wird auch vom ASML-Vorstand betont, dass das KI-Thema noch immer angesagt sei.
Und dann noch China: Dort könne die Chipnachfrage durch staatliche Konjunkturprogramme wieder angekurbelt werden, so Jung In Yun vom Vermögensverwalter Fibonacci. Allerdings könnte dies zumindest an ASML vorbeigehen, denn die niederländische Regierung will Ausfuhren der Highend-Maschinen in die Volksrepublik aus geostrategischen Gründen einschränken.