NewsAktuelles

MANAGER MAGAZIN – Leadership: Was Führungskräfte von Managern unterscheidet – von Amii Barnard-Bahn und Noémie Le Pertel
Eine gesunde Arbeitskultur verlangt von Führungskräften Ergebnisverantwortung und Einfühlungsvermögen. Keine leichte Aufgabe. Sechs Fragen helfen Ihnen, Ihre Erwartungen zu überdenken und Empathie zu fördern.

Hat er das Zeug zur Führungskraft?

"Die machen ihre Arbeit einfach nicht", schimpfte eine Führungskraft in einem von unseren Workshops. Sie war verärgert über die mangelnde Produktivität ihres Teams.

Führungskraft zu sein war schon immer eine Herausforderung. Nun nehmen Stress und die Gefahr von Überlastung noch weiter zu: Eine Gallup-Umfrage vom November 2021 zeigt, dass sich 35 Prozent aller Führungskräfte mit Personalverantwortung, "sehr häufig oder immer" ausgebrannt fühlen. Zum Vergleich: Bei den Teammitgliedern waren es 27 Prozent, die sich stark überlastet fühlten, bei den leitenden Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen 22 Prozent.

Die ständige psychische Belastung hat Folgen: Immer mehr Führungskräfte explodieren, wenn ihre Erwartungen nicht erfüllt werden. Denn Stress führt dazu, dass unser Gehirn deutlich schneller umschaltet auf Urteil und Reaktion.

Dieses Muster ist genau das Gegenteil von dem, was Mitarbeitende brauchen. In einer gesunden Arbeitsplatzkultur wissen Führungskräfte, wie sie ein Gleichgewicht zwischen Ergebnisverantwortung und Einfühlungsvermögen herstellen. Sie schaffen ein Klima der Reflexion anstatt ständig nur zu reagieren. Die Art und Weise, wie Sie Ihre Ziele erreichen, ist in einer gesunden Kultur wichtiger als das, was Sie kurzfristig vorweisen können.

Unser Appell an Führungskräfte lautet: Innehalten und nachdenken, bevor die hohen Anforderungen zu wütenden Tiraden führen. Wenn Sie merken, dass Sie zunehmend frustriert sind und schlecht über Ihre Mitarbeiter denken, sollten Sie sich die folgenden sechs Fragen stellen. Sie können die Fragen auch als Checkliste nutzen, um sicherzustellen, dass Sie emphatisch bleiben und ihre Teammitglieder fördern, anstatt sie dauernd zu überfordern.

1. Was will ich wie kommunizieren?

Führungskräfte unterschätzen häufig die Notwendigkeit der Kommunikation . Machen Sie es besser und überlegen Sie, wie gut Sie Ihre Erwartungen in Bezug auf die Rollenverteilung, Leistungen, Unterstützung und Ergebnisse kommuniziert haben. Wenn Sie wissen, wie die Qualität eines Projekts und die gewünschte Wirkung aussehen sollen, kann Ihr Team seine Zeit, Energie und andere Ressourcen besser einteilen.

Je mehr Sie kommunizieren, desto klarer können Sie Ihre Vision vermitteln. Wenn die Mitglieder Ihres Teams verstehen, wie sie zu den Unternehmensergebnissen beitragen, kann dies das Zielbewusstsein Ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stärken. Zudem kann Ihr Team wertvolle Zeit sparen, wenn die Ziele von Anfang an klar sind und Missverständnisse und Verwirrung gar nicht erst entstehen. Sie sollten allerdings trotzdem regelmäßig bei Ihren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen vorbeischauen und überprüfen, ob sie den Auftrag verstanden haben und an seiner Umsetzung arbeiten.

2. Was erwarte ich?

Wenn es eine neue Aufgabe zu lösen gilt, sollten Sie analysieren, ob sie Ähnlichkeiten mit vorangegangenen Projekten aufweist. Ist das aktuelle Projekt im Vergleich dazu mit den angemessenen Ressourcen ausgestattet? Falls das nicht der Fall ist: Überlegen Sie, ob Sie zusätzliche Ressourcen zur Verfügung stellen können. Sollte das nicht möglich sein, müssen Sie ernsthaft darüber nachdenken, Ihre Erwartungen zurückzuschrauben.

Handelt es sich bei dem Projekt um eine anspruchsvolle Aufgabe, die für Ihre Mitarbeiterin eine Herausforderung sein oder sie in ihrer Entwicklung fördern soll? Falls ja, müssen Sie sie möglicherweise verstärkt anleiten oder betreuen. Überlegen Sie, ob Sie für Fragen und die erforderlichen Genehmigungen zur Verfügung stehen. Beurteilen Sie den Zeitplan und ob Ihre Mitarbeiterin angemessen unterstützt wird, um die in sie gesetzten Erwartungen zu erfüllen.

3. Wie helfe ich?

Wenn Sie mit der Leistung Ihres Mitarbeiters unzufrieden sind, versuchen Sie, einen Schritt zurückzutreten. Beurteilen Sie seine Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten. Überlegen Sie, wo seine Stärken liegen und wie Sie ihm helfen können, diese Stärken weiterzuentwickeln. Und bedenken Sie: Manche Menschen fühlen sich wohler, wenn man ihnen mehr Autonomie einräumt, andere bevorzugen mehr Kommunikation, Unterstützung und Kontakt.

Wenn Sie bei einem Teammitglied einen Leistungsabfall feststellen, sollten Sie ein direktes und freundliches Gespräch führen, um schnell herauszufinden, woran das liegt. Vielleicht sind persönliche Ereignisse wie etwa die Erkrankung eines Familienmitglieds, eine Trennung oder die Betreuung eines Kindes der Grund für die Leistungsverschlechterung und nicht fehlende Motivation. Achten Sie bei einem solchen Gespräch darauf, dass Sie genau zuhören . Erkundigen Sie sich, wie Ihr Mitarbeiter oder Ihre Mitarbeiterin mit der Arbeit zurechtkommt, und prüfen Sie, ob Ihre Erwartungen übereinstimmen. Achtung: Wenn sich Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gestresst oder überfordert fühlen, brauchen sie oft mehr als ein Einfaches "On the Job"-Lernen.

4. Wie leite ich ergebnisorientiert?

Erfolgreiche Manager konzentrieren sich auf die Ergebnisse und nicht darauf, wie oder wann die Arbeit erledigt wird. Wir alle haben unseren eigenen Arbeitsstil und unsere Vorlieben. Vielleicht ist die Art und Weise, wie Sie Ihre Aufgaben lösen, Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern fremd. Hüten Sie sich also davor, andere Herangehensweisen voreingenommen zu betrachten.

Wenn wir Mikromanagement betreiben, greifen wir als Führungskräfte in die Autonomie unserer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen ein. Wenn Sie Ihrem Team stattdessen Ihre Vision für die Ergebnisse klar beschreiben, geben Sie ihnen die Möglichkeit, selbst die Führung innerhalb dieser Vision zu übernehmen oder bei Ihnen genauer nachzufragen und sich eine Anleitung zu holen. Stellen Sie sicher, dass sich Ihre Ziele auch mit der Unternehmensvision und den Unternehmenszielen verknüpfen lassen. Menschen wollen das Gefühl haben, dass ihre Arbeit sinnvoll ist, und schon die Abstimmung zwischen Einzelzielen und Unternehmenszielen kann das Engagement Ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter steigern.

5. Gleiche Maßstäbe für alle?

Trotz bester Absichten können unbewusste Vorurteile dazu führen, dass wir einige Mitarbeiter gegenüber anderen bevorzugen. Machen Sie sich bewusst, was an jedem einzelnen Ihrer Teammitglieder einzigartig ist, und überlegen Sie, ob Sie alle Teammitglieder nach den gleichen Maßstäben beurteilen sollten. Sind Sie bei männlichen und weiblichen Teammitgliedern unterschiedlich streng? Investieren Sie in alle Teammitglieder die gleiche Zeit? Treffen Sie Annahmen über Ihre Mitarbeiter aufgrund des Alters ? Wenn Sie sich über diese Fragen im Klaren sind, können Sie unbewusste Vorurteile vermeiden.

Wenn Sie sich unsicher sind, ob Sie fair sind, können Sie auch mit einem vertrauenswürdigen Kollegen sprechen, um dessen Meinung einzuholen.

Eine weitere Voreingenommenheit, auf die Sie unbedingt achten sollten, ergibt sich aus dem Proximity Bias. Dieser Bias beschreibt die Neigung, Menschen, denen wir näherstehen und mit denen wir häufiger in Kontakt sind, zu bevorzugen. Wenn Sie in einer hybriden Umgebung arbeiten, sollten Sie sich deshalb fragen, ob Sie die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die häufiger ins Büro kommen, bei der Verteilung von Aufgaben bevorzugen.

6. Was kann ich selbst besser machen?

Wenn Sie Kritik an der Arbeit ihres Teams haben, zögern Sie Ihr Feedback nicht hinaus. Untersuchungen zeigen, dass Feedback am besten während des Prozesses gegeben werden kann. Deshalb: Sprechen Sie es an, wenn sich eine mögliche Fehlentwicklung abzeichnet. Es ist viel besser, Fehler frühzeitig zu erkennen und zu vermeiden, als zu warten, bis sie sich verfestigen.

Und: Bitten auch Sie um Feedback. Fragen Sie Ihre Mitarbeitenden nach ihrer Einschätzung zu dem Projekt. Nur so erhalten Sie die Informationen, die Sie brauchen, um Ihre Sicht auf den Projektprozess gegebenenfalls anzupassen. Zudem fördern offene Gespräche und regelmäßige Abstimmung Vertrauen und stärken das Engagement Ihrer Leute.

Studien zeigen immer wieder: Teams, die sich von ihren Führungskräften unterstützt fühlen, sind mit ihrer Arbeit am zufriedensten.

Selbstmanagement ist mehr als Zeitmanagement. Wie schaffe ich es, meine Ideen durchzubringen? Warum sind Kontaktpflege und ein solides Netzwerk wichtig? Wie plane ich meine berufliche Laufbahn? Und wie können Managerinnen und Manager ihre Aufmerksamkeit – und die des Unternehmens – zielgerichtet einsetzen?

Fazit

Selbstreflexion erfordert Disziplin und Zeit – aber die Investition macht sich bezahlt. Unternehmen, in denen Führungskräfte gute Beziehungen zu ihren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen pflegen, erfahren oft eine höhere Loyalität, mehr Vertrauen, Produktivität und Freude am Arbeitsplatz. Wenn Sie die sechs Reflexionsfragen in Ihre Führungskultur integrieren, können Sie Erwartungslücken schließen. Auch wenn das nicht immer leicht ist – es lohnt sich: Die bewusste Entscheidung, Leistung durch Einfühlungsvermögen zu fördern, unterscheidet bloße Manager von echten Führungskräften.